Es gibt beim Onlinedating wie schon früher beschrieben viele verschiedene lustige Typen. Naja…viele verschiedene gruselige und abschreckende und manchmal ein bisschen lustige Typen. „Alle 11 Minuten verliebt sich ein Single auf Par***hip“ sagt die Werbung. Wer und wo dieser eine Single ist und wie er das managt würde ich ja zu gerne mal wissen. Ich kann leider nur in regelmäßigen Abständen mein Repertoire an unfassbaren Erlebnissen erweitern. Vielleicht gibt es Onlinedating ja nur, damit ich Futter für neue Blogbeiträge habe, wer weiß?

Nach Wochen rufe ich mal wieder mein Profil auf und schaue, wer mich geliked hat. Ohhh, da ist eine sehr nette Nachricht von Andreas, 33, blond, blaue Augen, groß, gutaussehend, sportlich, tolles Lachen und auf der Suche nach einer ernsten Beziehung. Ich antworte mal, der sieht sympathisch aus. Ist ja auch viel netter geschrieben als das übliche „Hallo“ oder noch abgefahrener „Hallo Du“.

Es folgt ein für Männer ungewöhnlich langer und ausführlicher Chat über sein Entsetzen, dass so viele Leute beim Onlinedating nur Mist schreiben, dass niemand mehr vernünftige Ansichten hat und dass er bald die Hoffnung verliert. Er spricht mir aus der Seele und es macht Spaß über spannende Reiseziele wie Neuseeland, Hobbies und verrückte Leidenschaften wie einen weihnachtlichen Herr-der-Ringe-Marathon oder Joberfahrungen zu schreiben. Relativ schnell steht fest, es wäre wohl noch interessanter diverse Themen persönlich bei einem Glas Wein in einem schönen Restaurant zu diskutieren.

Das erste Treffen…quasi ein Blind Date…aufregend und ätzend zugleich. Man weiß von Bildern, Chatnachrichten und Profilangaben wie „Nichtraucher“, „lebt alleine“ oder „Atheist“ ja trotzdem nichts über einen Menschen und soll dann einen Abend miteinander verbringen. Von sofortiger Seelenverwandtschaft bis hin zur Hoffnung auf spontane Selbstentzündung ist da an Emotionen alles möglich, aber es hilft ja nichts. Ich bin realistisch und neugierig, freue mich aber durchaus.

Natürlich erfüllt die Vorbereitung sämtliche Klischees. Den ersten Eindruck gibt es ja trotzdem nur ein Mal, selbst wenn man sich auf dem Papier bzw. Smartphone schon kennt. Daher morgens schon extra früher ins Büro, um zeitig gehen zu können. Es muss ja abends genug Zeit sein, um sich entspannt und ohne Stress als Traumfrau zu verkleiden. Haare glätten – ein glänzendes Fell verkauft sich nicht nur bei Hunden und Katzen viel besser und gesünder als stumpfes Gestrüpp. Frisch geduscht, Klamotten sorgfältig ausgewählt – Mischung aus Mädchen von nebenan und cooler Vamp – und dezent aber vorteilhaft geschminkt.

Am Morgen bekomme ich noch zwei Nachrichten, die mit „Guten Morgen“ beginnen. Zwei? Warum zwei? Weil er mir erst auf die letzte Frage vom Vorabend antwortet und schreibt er freut sich auf das Treffen am Abend und dann wünscht er mir eine Minute später nochmals einen guten Morgen und bedauert, dass wir das Treffen verschieben müssen, dass er mir gute Besserung und trotzdem einen angenehmen Arbeitstag wünscht. Hä? Gut, er wünscht wohl doch nicht MIR ein zweites Mal einen guten Morgen. Ich frage locker witzelnd nach, ob unser Treffen stattfindet, da ICH ja nicht krank bin. „Falscher Empfänger, wa ;-)?“

Bis zum Abend erhalte ich keine Antwort auf diesen für ihn durchaus etwas peinlichen Fauxpas. Eine Stunde vor dem Date interpretiere ich ganz optimistisch den Satz „Sorry, war heut früh im Stress, bin noch auf Arbeit und komme direkt hin, freu mich“ als eine Art seltsame Entschuldigung. Ich stehe vor besagtem Restaurant und werde über einen Unfall mit folgendem Stau und Verspätung informiert. Nach einem kleinen Scherz, dass ich in einer halben Stunde dann nebenan ins Kino gehe, erhalte ich keine Nachricht mehr und entscheide mich nach 45 Minuten, dass ich nicht weiter hungrig in der Kälte warten will.

Ich reserviere noch schnell im Irish Pub nebenan einen Tisch für die Mädelsrunde im Dezember, weil ich tagsüber dort telefonisch niemand erreichen konnte und hole mir auf dem Rückweg bei meinem Lieblingsthai Tom Kha Gai. Gegen 20 Uhr kommt eine Nachricht mit Schlagworten wie Funkloch, Stau und der Frage, in welchem Kino ich denn jetzt sei. „Heimkino und Tom Kha Gai“ lautet meine kurze Antwort auf dem Weg nach Hause. „Wo is das denn?“ Wie, wo ist das…Heimkino ist zuhause…was meint er? „Das ist auf meinem Sofa“. Daraufhin kommt langsam die zickige Seite und Andreas erklärt mir schnippisch „na toll, dann kann ich jetzt wohl den Heimweg antreten?“

Ich erkläre ihm, dass ich fast eine Stunde in der Kälte gewartet habe, Hunger hatte und nichts mehr von ihm gehört habe. „Na toll und ich habe mich abgehetzt wie so ein Blöder, hätte Dir genauso passieren können, dass Du im Stau stehst“. Stimmt, hätte passieren können, ist es aber nicht und ich HABE ja fast eine Stunde gewartet, aber eben eine halbe Stunde nichts gehört…von jemandem, den ich nicht kenne und der die Nachrichten an seine diversen Chat-Damen gerne mal durcheinander bringt.

Daher frage ich ihn, was ER gemacht hätte und warum ich jetzt eine Zicke bin, nur weil ich keine zwei Stunden gewartet habe. Und genau hier kommt wieder einmal in meinem Leben der Punkt, ab dem ich nur noch grinsen und mit dem Kopf schütteln kann.

Onlinedating-ChatJetzt packt er komplett die beleidigte Bitch aus…irgendwie hatte ich ja das Gefühl ICH habe eine falsche Nachricht bekommen und ICH habe gewartet, aber anscheinend war es MEIN Fehler, dass ich gegangen bin. Auf seine schnippische, arrogante und kindische Reaktion will ich gerade total erwachsen und beherrscht senden, dass auch er nicht der Einzige ist, mit dem ich chatte. Da öffnet sich ein kleines Fenster mit folgender Information: „Sie wurden für diese Aktion gesperrt“

Wie jetzt? Ernsthaft? Er hat mich angepisst und auch noch direkt gesperrt, damit ich nicht antworten kann? Im Kindergarten einem anderen Kind das Spielzeug wegnehmen und dann wegrennen? Hatte ich lange nicht. Ich versuche es erneut und tippe ein „Na gottseidank bin ich nach Hause gegangen, sowas wie Dich hab ich gottseidank nicht nötig.“ „Sie wurden für diese Aktion gesperrt“

Ich muss irgendwie langsam lachen, weil ich mich anscheinend mit einem Kleinkind treffen wollte. „Du hast mich gesperrt, Du kleiner feiger Sitzpisser, hoffentlich hast Du schön blöd geschaut als niemand auf Dich gewartet hat vor dem Restaurant.“ „Sie wurden für diese Aktion gesperrt“

Haha 🙂 ich finde Gefallen daran. „Jetzt fährst Du alleine heim und kannst nicht fassen, wie eine Frau Dich stehen lassen konnte, wa? BÄM, in your face.“ „Sie wurden für diese Aktion gesperrt“

Ich muss mir diesen Satz merken, den werde ich künftig verwenden, wenn ich was nicht hören will. Frau Kaiser, wir müssten mal über das Ende Ihrer Probezeit sprechen – Sie wurden für diese Aktion gesperrt. Frau Kaiser, Sie sollten mehr Sport machen und weniger Schokolade essen, Ihre Blutwerte sind besorgniserregend – Sie wurden für diese Aktion gesperrt. Frau Kaiser, bitte überweisen Sie bis zum genannten Zeitpunkt die Nachzahlung in Höhe von 531,29 Euro – Sie wurden für diese Aktion gesperrt.

Unterm Strich bin ich eigentlich nur eines…nicht wütend oder traurig, enttäuscht oder verletzt…ich bin einfach nur heilfroh und höchst amüsiert, dass ich gegangen bin. Manchmal gibt es so etwas wie Fügung im Leben. Ich erfreue mich an dem Bild vom stinkigen kleinen Andreas in meinem Kopf, an das ich noch im Bett denke, nachdem ich Tom Kha Gai gegessen und zwei Folgen meiner Lieblingsserie im Heimkino auf meinem Sofa gesehen habe. Immerhin konnte ich auf dem Heimweg ja noch einiges erledigen. Notiz an mich – ich habe noch nie besser ausgesehen beim Tisch reservieren, Geld abheben und Suppe holen…